Solch ein Gedanke muss mir durch den Kopf geschossen sein, als mein Blick mein Gegenüber streifte: eine junge Frau, die vor Schmerzen stöhnte. An ihrem Unterschenkel klaffte eine offene Wunde. Ich habe wirklich schon viel gesehen in dieser ach so schillernden Weltstadt Berlin, doch diese Szene hat mich geschockt und mich mit meiner eigenen Hilflosigkeit kontrontiert. Auch die Hände und die rechte Wange der leichenblassen Frau bluteten. Ich sprach sie an und fragte sie, ob ich ihr irgendwie helfen könne. Sie antwortete, dass sie starke Schmerzen hätte. Ich gab ihr den “klugen” Rat, auf der Stelle zum Arzt zu gehen. Für eine Obdachlose ohne Krankenversicherung wäre das unmöglich, meine sie. Ich suchte schnell mein letztes Kleingeld zusammen und drückte es ihr in die Hand. Ein paar Sekunden später musste ich aussteigen und mir war noch viel mehr zum Heulen zumute als vorher. Diesmal nicht wegen meiner glücklosen Männergeschichten, sondern weil ich die Frau ihrem Schicksal überlassen hatte. Das bisschen Geld aus meiner Tasche würde ihre Wunden nicht heilen. Wer weiß, ob sie die Nacht überlebt, schrie mein schlechtes Gewissen! Im Vergleich zu der Verletzten habe ich nämlich keine Probleme. Eigentlich müsste ich froh sein, dass mich mein Bauchgefühl vor dem falschen Mann gewarnt hatte. Stattdessen badete ich im Frust. Ganz schön bescheuert, nicht wahr?
Tanja Ritter / www.pixelio.de |
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