Montag, 21. September 2015

Die Klaviatur der Küsse

Foto: Pixabay

“Ein Kuss ist ein oraler Körperkontakt mit einer Person oder einem Gegenstand”, liest man bei Wikipedia. Wann habt Ihr das letzte Mal einen Gegenstand geküsst und dabei höchste Glückseligkeit empfunden? Bei objektophilen Menschen, die sich sexuell von unbelebten Dingen angezogen fühlen, mag sich die Frage tatsächlich stellen. Auf diese spezielle sexuelle Vorliebe werde ich heute jedoch nicht näher eingehen, vielleicht ein anderes Mal. ;-)

Jetzt dreht sich hier alles um das Thema Küssen und das ist kulturell so vielfältig wie die Kulturen, die den Kuss praktizieren. Ein Beispiel aus meinem persönlichen Nähkästchen: Als ich im zarten Alter von 14 zum ersten Mal nach Frankreich kam, staunte ich nicht schlecht über “la bise”. Unsere westlichen Nachbarn küssen sich nämlich zur Begrüßung zweimal auf die rechte und auf die linke Wange. Zunächst empfand ich diese Begrüßungspraktik als befremdlich, kurze Zeit später als "normal", denn es gab eine Zeit, in der ich alles Französische verschlungen habe – von den Männern einmal abgesehen.

Da wären wir auch schon beim “French Kissing” angekommen, dem Zungenkuss. Meiner Meinung nach ist das Zusammenklatschen zweier Zungen um Lichtjahre intimer als ein flüchtiger sexueller Akt ohne Küsse. Wer verliebt ist, der fühlt sich wie magnetisiert von den Lippen des anderen. Wenn es noch nicht zum ersten Kuss gekommen ist, sehnt man sich danach und fühlt sich wie im Himmelreich, sobald die Lippen sich endlich berühren dürfen. Bei echter Verliebtheit spielt es auch keine Rolle, wie talentiert man im Küssen ist – es sei denn, man stellt sich stoffelig an. In der Regel registriert man fehlende Kussbegabung aber erst, wenn sich die Verliebtheitshormone verflüchtigt haben.

Sind die Schmetterlinge davon geflogen, fragt man sich eher, wie viele Bakterien beim Küssen ausgetauscht werden. Im November 2014 veröffentlichte Spiegel Online einen Artikel über den Bakterienaustausch beim Küssen: Glaubt man dem Mikrobiologen Remco Kort vom Amsterdam Institute for Molecules, Medicine and Systems, wandern beim intensiven Knutschen rund 80 Millionen Bakterien von Mund zu Mund. Ekelhaft oder anregend? Zugegeben, ich denke im Eifer des Gefechts nicht mehr über mikrobiologische Studien nach. Eine öffentliche Toilette oder ein stark frequentiertes Büroklo entlocken mir im Vergleich mit dem Bakterienaustausch beim Zungenkuss wesentlich stärkere Würgekrämpfe!

Die Klaviatur des Küssens bietet unzählige weitere Spielarten als “French Kissing”: Eine Mutter zeigt ihrem Kind mit einem Kuss ihre Zuneigung und umgekehrt kann es genauso sein. Ich habe sehr lebhafte Erinnerungen an meine frühe Kindheit, als ich mein familiäres Umfeld und andere Kinder mit Küssen zu belästigen pflegte. Nicht jeder wollte von mir abgeknutscht werden und irgendwann fing meine Großmutter an, mir Moralpredigten zu halten. Kleine Anmerkung: Weder ich noch meine Mutter haben bei meinen Großeltern jemals einen Austausch von Zärtlichkeiten beobachten können.

Bei Tieren aber sehr wohl. Wenn Katzen sich gegenseitig sympathisch sind, stupsen sie sich mit den Nasen an und lecken das Fell des geliebten Artgenossen. Da wahrscheinlich auch wir Dosenöffner als große Katzen wahrgenommen werden, übertragen die lieben Samtpfoten ihre Kusspraktiken auf uns Menschen. Vor einigen Jahren hatte ich es mir auf einer Parkbank in einer niederländischen Stadt bequem gemacht, als ich Opfer einer “Kussattacke” wurde: Eine Katze sprang auf meinen Schoß und bekuschelte mich. Die Szene endete damit, dass sie mir einen Kuss auf die Lippen drückte und so schnell verschwand, wie sie in mein Leben getreten war.

Ihr ahnt vielleicht schon, dass ich Katzenfreundin bin, aber auch zwischenmenschliche Küsse sehr zu schätzen weiß. Wie sieht es bei Euch aus? Stammt Ihr vielleicht aus einem anderen Kulturkreis, wo das Thema Küssen ganz anders behandelt wird als in Deutschland? Eure Einsichten und Meinungen interessieren mich wie immer brennend!

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